Predigt: Apg 10, 21-35. Innenansichten: „Jeder ist ihm angenehm“
1. Kornelius
Kornelius ist Soldat geworden, weil er schon als Kind sehr beeindruckt war von den Soldaten in ihren Uniformen. Wie sie durch die Straßen Roms marschiert sind, bei den Triumphzügen. Nicht so sehr das Kämpfen hat es ihm angetan, sondern die Tradition, der Zusammenhalt und die Geschichte. Welche Ehre muss es sein, dachte er als Kind, in einer Legion zu dienen, die schon seit mehreren hundert Jahren besteht. Welche Erfolge, wie viel Sicherheit die eine Legion, die eine Abteilung dem römischen Reich über die Jahre brachte. Deswegen ist er als Jugendlicher zur Armee gegangen und bis heute dabeigeblieben.
Inzwischen ist er Hauptmann seiner Abteilung. Die Italische, werden sie genannt. Klar, alle kommen aus Italien, die meisten aus Rom oder aus der unmittelbaren Umgebung der Hauptstadt. Sie sind seit einiger Zeit schon in Cäsarea, In Palästina stationiert. Eine tolle Stadt am Meer, die immer und immer größer wird. Es gibt alle Annehmlichkeiten, die es auch in Rom gibt, nur das Umfeld ist etwas exotischer. Und klar, gefährlicher ist es auch. Schließlich ist seine Abteilung nicht zum Vergnügen hier, sondern muss den Präfekten bzw. den Prokurator Judäas schützen, der in Cäsarea seinen Sitz hat. Früher gabs da mal einen Pontius Pilatus, aber der macht den Job schon lange nicht mehr. Das jüdische Volk, das hier lebt, ergibt sich nicht freiwillig der Herrschaft Roms. Daher müssen wir immer Präsenz zeigen. Meistens reicht das aus, durch die Straßen zu patrouillieren.
Und ich, selbst, Kornelius, bin hier auf eine ganz interessante Religion gestoßen. Es ist eigentlich das Judentum, da kennt man ja aber auch anders. Es gibt noch den Christus dazu. Manche Juden gehören ihr an, andere finden sie ganz fürchterlich und distanzieren sich von den Christusanhängern. Ich selbst bete auch zu Gott. Aber ich brauche mehr Informationen über diese Religion. Bücher gibt es nicht so recht, nur ein, zwei Briefe eines gewissen Paulus habe ich gesehen. Unsere militärischen Dossiers geben leider nichts hilfreiches über den Glauben der Christusanhänger her. Deswegen lasse ich mir mal einen gewissen Petrus herbringen. Der ist angeblich einer der höheren Vertreter, die hier herumreisen und von Christus predigen. Mal sehen, was er zu sagen hat.
2. Petrus
Petrus rutscht das Herz in die Hose, als er den Soldaten und die zwei Zivil gekleideten Männer der römischen Verwaltung sieht. Jetzt ist es soweit, denkt er, jetzt wird er angeklagt und abgeführt. Gerade erst hat er sein Mittagsgebet beendet. Noch ganz verstört ist er von dem Traum, den er dabei hatte. Dreimal kam ein weißes Tischtuch vom Himmel. Lauter Insekten und Vögel waren darauf. Alles unreine Tiere, die Petrus als gesetzesfürchtiger Jude nie essen würde. Denn in den Speisegeboten sind sie nicht erlaubt. Nimm hin und iss, sagt ihm die Stimme im Traum. Doch er weigert sich. Und jedesmal sagt ihm die Stimme: „Was Gott rein gemacht hat, das nenne du nicht verboten.“ Petrus weiß nicht, was er mit diesem Traum anfangen soll.
Während er grübelt klopfen die drei Männer an die Tür und fragen nach ihm. Er soll zum Hauptmann Kornelius nach Cäsarea kommen. Petrus ist mulmig. Er soll dem Hauptmann den Inhalt seiner Verkündigung berichten. Mehr sagen die Männer nicht. Den Glauben an Christus in aller Kürze. Angeblich sei der Hauptmann sehr interessiert am Judentum, aber das ist nur ein Gerücht.
Und ehrlich gesagt schmeckt es Petrus garnicht, dass er dahin muss. Denn: Kornelius ist Römer, Heide und kein Jude. Er darf streng genommen gar keinen Kontakt zu ihm haben, sonst darf er einige Tage nicht zum Gottesdienst, bis er sich wieder rein für Gott gemacht hat.
Aber es nützt ja nichts, A nächsten Tag brechen sie auf. Der römischen Armee stellt man sich besser nicht in den Weg. Und irgendwie ist er auch schon viel ruhiger und gelassener geworden. Er hat das Gefühl, als ob Gott diesen Weg mit ihm geht, ja als ob er das eingefädelt hat.
3. Im Haus des Kornelius
Als sie endlich in Cäsarea ankommen, ist Petrus baff. So luxuriös hatte er sich das nicht vorgestellt. Überall gibt es Mosaikfußböden in verschiedenen Mustern. Fließendes Wasser in den Latrinen und vieles mehr. Kornelius ist ihm viel freundlicher gesonnen, als er vermutet hätte. Er interessiert sich tatsächlich für das, was Petrus vom Judentum und von Christus zu erzählen hat. Doch eins kann er sich nicht verkneifen: Bei allem Respekt, Kornelius: Ich will nicht hier sein. Du bist kein Jude, deswegen darf ich dich nicht treffen. So sagt es unser Gesetz. Aber ich habe das Gefühl, dass Gott mich auf diesen Weg gebracht hat. Ich hatte da so einen Traum…
„Du auch ? platzt es aus Kornelius heraus: Ich hatte auch einen Traum: Mir ist ein Bote Gottes erschienen, der sagte: Hol Petrus in dein Haus, er wird dir von Gott erzählen. Gut dass du freiwillig gekommen bist, Petrus. Gott hat es so gewollt!“
„Offenbar“, erwidert Petrus kopfschüttelnd. „So muss es sein. Ich habe mich wieder mal getäuscht. Ich wollte mich strikt an die Vorschriften halten, die wir für unsere Religion entwickelt haben. Aber Gott hält sich nicht an unsere Vorschriften. Ich hätte nicht zu dir kommen dürfen, weil du kein gläubiger Jude bist.“ „Aber ich glaube an denselben Gott“ unterbricht ihn Kornelius.
„Das mag sein,“ erwidert Petrus, „aber du bist kein Jude“. Wie auch immer, Gott ist das offenbar egal. Für ihn ist wichtig, dass du ein frommer und gläubiger Mensch bist. Egal woher du kommst und welchen Beruf du hast. Nun erfahre ich in Wahrheit, dass Gott die Person nicht ansieht; sondern in jedem Volk, wer ihn fürchtet und recht tut, der ist ihm angenehm.
4. In Hambergen
Wer ist ihnen, und euch angenehm, liebe Gemeinde? Der, der gleicher Meinung ist, wie wir? Die, die die gleiche Partei wählt? Oder der, der seinen Garten genauso pflegt, wie ich?
Wer ist uns unangenehm? Wen grenze ich lieber aus, oder meide ich? Der, der mir mit seiner offenen und ehrlichen Art, auf die Neven geht? Die, die mir zu anstrengend ist, weil sie immer neue Projekte anschieben will?
Der Geizhals, der Angeber, oder der merkwürdige Vogel: Es gibt Menschen, die uns unangenehm sind, mit denen wir lieber nichts zu tun haben wollen. Das ist so, das hat was mit Sympathie zu tun und so weiter. Es gibt die, die wir meiden, die wir nicht dabei haben wollen. Das steckt in uns. Wir haben von Petrus gehört, dem es genauso ging. Ein Römer, ein Heide will zu Christus gehören? Das kann nicht sein, der ist ja kein Jude, hat keine Ahnung von unserer Religion.
Das hat sich inzwischen sehr gewandelt. Wer Christ ist, muss schon lange nicht mehr dem Judentum angehören. Doch nach wie vor sind es auch oft Menschen aus anderen Ländern, mit anderen Religionen, gegen die wir Vorbehalte haben, denen wir argwöhnisch begegnen. Das steckt in uns drin.
Doch, wen Gott ins Boot holt, den können wir nicht ausschließen. Und ist sie uns noch so unsympathisch. Das ist die Erfahrung, die Petrus im heutigen Predigttext macht. Nun erfahre ich in Wahrheit, dass Gott die Person nicht ansieht; sondern in jedem Volk, wer ihn fürchtet und recht tut, der ist ihm angenehm.
5. Gottes großes Herz.
Es gibt viele Kategorien, die wir Menschen entwickelt haben, um uns in verschiedene Schubladen einzuteilen. Hautfarbe, Bildungsgrad, soziale Stellung, Kleiderstil und vieles mehr. Sie führen häufig dazu, dass wir sortieren, den einen vorenthalten, was wir anderen gewähren. Im Gegensatz dazu holt Gott alle ins Boot. In Jesus Christus gibt es kein Ansehen der Person. Das heißt, wer in Rufweite des Evangeliums ist, wer vom Licht des Evangeliums, vom Licht des Glaubens erreicht wird, der gehört dazu. Egal, was wir dazu meinen.
Für Jesus Christus gibt es keine Unterteilung in solche die seine Liebe verdient haben, und solche die sie nicht verdient haben. Verdienen kann sie keiner, aber jeder wird von ihr beschenkt. Das ist die bittere Pille, die auch Petrus erst schlucken muss. Bitter, weil sie sein Schubladensystem über den Haufen wirft. Aber so liebevoll, wie nur Gott es gelingt.
Petrus und Kornelius hatten sicher noch einen spannenden, unterhaltsamen Abend. Vielleicht haben sie sich auch noch öfter getroffen. Ob sie Freunde geworden sind, ist nicht berichtet. Auf jeden Fall sind sie zu Geschwistern geworden. Zu Geschwistern in Christus, im Glauben Und so sind sie miteinander umgegangen.
Was Gott rein macht, können wir nicht verboten nennen. Gott holt ins Bott, wen wir ausgrenzen würden. Träumen wir lieber mit Petrus und Kornelius liebe Gemeinde. Träumen wir davon, wie Gott unsere Schubladen liebevoll zusammenhäuft. Und diesen Traum können wir wahr machen. Gott hat ein großes Herz, darin ist für uns alle Platz. Gott sei Dank. Amen.
Pastor Björn Beißner